Rapunzels Adventskalender 2018

14. Dezember 2018

Gestatten, Pfeifen mit 4 F´s…

Ich bin zwar ein Hund aber ein kluger. Ich kann also auch zählen, keine Bange. Wie die meisten meiner Sprüche ist auch dieser ja wieder etwas abgeleitet. Diesmal aus der „Feuerzangenbowle“.
Moment…Außer dem auch vor allem in der Weihnachtszeit beliebten Punschgetränk auf Rotweinbasis gibt es einen Roman von Heinrich Spoerl gleichen Namens. Vielen bekannt ist dieser Roman durch die brillante Verfilmung mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle. Dieser Film entwickelte sich mit den Jahren inzwischen fast zu einem Klassiker in der Vorweihnachtszeit und das über alle Generationen.
Meine Herrschaften lieben Filme mit Heinz Rühmann und „Die Feuerzangenbowle“ insbesondere.

Derzeit wird diese Komödie z.B. in einer Bühnenfassung im Theater Native C in Cottbus aufgeführt. Auch wenn das jetzt sicherlich Werbung für dieses kleine Theater ist, sie ist unbezahlt und meine Herrschaften können aus Erfahrung sagen, ein Besuch lohnt sich.
Ja, ab und zu geht’s für meine Zweibeiner auch mal zur Kultur und ein Besuch dieser Aufführung war somit für den Dezember im Programm. Sie haben sehr geschwärmt von diesem Abend. Ich hoffe es lag nicht nur an dem zum Stück passend servierten Glühwein.

Auf jeden Fall geht es in diesem Stück um einen Herrn Dr. Johannes Pfeiffer, der sich im Laufe der lustigen Handlung immer wieder vorstellt, mit

Gestatten Pfeiffer mit drei F´s

Meine abgeleiteten Pfeifen stammen natürlich aus der Hundewelt. Pfeifen zum Training von Hunden kennt auch fast jeder. Mein Frauchen nutzt z.B. gerne eine Pfeife als Hilfsmittel, um mit uns im Rudel leichter zu kommunizieren.
Umgangssprachlich nennt ihr Menschen aber auch Versager ganz erbarmungslos Pfeifen. Ich schwäche das mal ein bisschen ab. Bei meinen Pfeifen geht es mehr um Angsthasen…oder besser Angsthunde.
Gerade bei den vielen Besuchen meiner Welpen konnte ich es immer wieder beobachten, was aber auch bei anderen Mensch-Hund-Kontakten oft ein Thema ist.

Ihr Menschen freut euch riesig auf die Begegnung mit einem süßen kleinen Felltier. Es ist so weit, der erste Kennenlerntermin steht an und ihr besucht unseren Hof. Ihr klingelt und Frauchen kommt zum Hoftor, im Schlepptau einen kleinen tollpatschigen Welpen. Die folgenden Szenen spielen sich fast immer identisch mit minimalen Abweichungen ab.

Die Besucher stürzen sich mit einem riesen Wortschwall und alles um sie herum nicht mehr wahrnehmend auf diesen keinen Welpen.

Ach mein Gott, wie süß… wer bist du denn…ach nein wie niedlich…du bist ja wirklich zuckersüß…oh schau ganz hilflos…der hat noch Angst.

Die nette Begrüßung meines Frauchens mit „Einen wunderschönen guten Tag“ verpufft wie Schall und Rauch. Kein Mensch nimmt sie in diesem Moment auch nur annähernd wahr. Wäre mein Frauchen ein Raucher, könnte sie jetzt ganz in Ruhe eine durchziehen, denn diese Zeremonie dauert auch.
Da mein Frauchen aber Hundemensch ist, greift sie genau jetzt meistens energisch ein. Die Menschen werden aufgefordert ihr zu folgen. Ja, richtig aufgefordert, denn mit Bitten ist hier nichts mehr zu machen.
Der kleine Welpe klebt nämlich völlig gelähmt von der überwältigenden Begrüßung im „4.F“ am Boden.

Dieses 4.F heisst übersetzt Freeze – also so viel wie eingefroren. Auch wenn es nicht so aussieht, aber diese Reaktion des kleinen Hundes ist völlig normal. Auch ihr Menschen agiert mit bestimmten Strategien, um euch aus unangenehmen bis bedrohlichen Situationen zu manövrieren.
Hier stehen uns als Angsthasen (oder von mir liebevoll auch Pfeifen genannt) genau 4 Möglichkeiten zur Verfügung: – die berühmten 4 F´s.

1. Flight (die Flucht)
Sobald sich etwas Unbekanntes nähert oder einem komisch vorkommt, versucht man vor diesem Objekt zu entkommen. Man nimmt Abstand, man flieht aus dieser unbehaglichen Situation

2. Fight (der Angriff)
Dringt etwas zu nah in unseren natürlichen Distanzbereich ein, greifen wir an und fordern uns diesen Raum zurück. Diese Strategie wird auch oft zur Verteidigung bestimmter Ressourcen angewandt. Deshalb ist Flucht hier meistens gar keine Option.

3. Fiddle about (das Rumalbern)
Auch hier ist der Distanzbereich bereits überschritten, für einen direkten Angriff besteht auf Grund des Innehalten des Gegenüber aber keine Veranlassung. Man versucht dieser Situation mit einer Art Spiel aus der Kombination von Angriff und Flucht zu entkommen. Die sehr steifen Bewegungen und der starre Blick des Angsthasen deuten aber genau darauf hin, dass es kein wirkliches Spiel, sondern nur die Suche nach einer Lösung für den Konflikt ist.

4. Freeze (das Einfrieren)
Bewusst von mir an die 4. Stelle gesetzt ist diese völlige Starre des sich bedroht fühlenden Wesens. Es stellt sich förmlich tot. Damit wird der Reiz des Gegenüber, sich weiter und eventuell auch noch näher zu bewegen ausgeschaltet. In dieser Starre und mit der gewonnen Zeit wird meistens dann ein brauchbarer Fluchtweg erkundet.

Bei den ersten drei F´s baut der Körper durch den meist erzielten Erfolg schnell wieder die gerade aktiven Stresshormone ab. Beim Einfrieren ist das nur möglich, wenn die Bedrohung irgendwie durch diese Strategie auch verschwindet. Endet die bedrohliche Situation aber durch diese Schutzmaßnahme nicht, werden z.B. genau aus diesen wie hier im Beispiel der überschwänglichen Begrüßung genannten Welpen durchaus auch mal wirkliche Angsthasen.

Ihr seht, selbst Pfeifen unter uns Hunden entstehen viel aus rein Menschlichem zutun. Ein kleiner Moment der Freude von euch kann eine große Auswirkung auf das weitere Hundeleben haben. Dazu wird dann auch noch oft behauptet, dass der Züchter daran schuld ist, wenn seine Welpen ängstlich sind.

Natürlich gibt es leider auch sowas. Da werden Welpen ohne jegliche menschliche Nähe aufgezogen und erfahren auch kaum irgendwelche Umweltreize.
Hier gilt aber wieder der berühmte Spruch: Augen auf beim Welpenkauf.
Schaut euch also bei den Besuchen und dem Kennenlernen eines vielleicht neuen Familienmitgliedes auch immer die Aufzuchtbedingungen und den Umgang mit dem Welpen an und überfallt nicht einfach blindlinks die zugegeben immer zuckersüßen Welpen mit euren haltlosen Emotionen.

Die Kenntnisse über die 4 F´s sind übrigens nicht nur wichtig beim Welpenkauf. Jeder Hund gerät mal in Situationen, wo er auf eine dieser Strategien zurückgreifen muss, um sich oder seine Ressourcen vor Schaden zu schützen und es ist natürlich auch hier von wesentlichem Vorteil, wenn ihr Menschen unsere Handlungen dann auch versteht.

Apropos Ressourcen… Ich muss mal meine fix kontrollieren.

Bis morgen dann,
eure Rapunzel