Rapunzels Adventskalender 2019
4. Dezember
Die Pille für ein glückliches Hundeleben…
Man lernt wohl nie aus. Auf diesem Standpunkt steht auch mein Frauchen und das mit bereits 30 Jahren Erfahrung in der Hundezucht. Sich Neuem zu öffnen ist für sie genauso wichtig, wie Bewährtes nicht zu verdammen, nur weil es alt ist. Gerade in der Beziehung mit uns Hunden gibt es hier unglaubliche Quantensprünge. So lebte Mensch und Hund bis vor ca. 20 Jahren basierend auf einfacher Grenzen Setzung oder rein sozialer Bestätigung durch den Menschen bereits Jahrtausende intensiv zusammen. Plötzlich hielten Leckerlies, Clicker und viele andere Hilfsmittel Einzug in das Hundetraining. Inwieweit das wirklich von Nutzen ist, dokumentieren die auch schon ohne jegliche wissenschaftliche Studie offensichtlich immer mehr und größer werdenden Probleme im Zusammenleben mit uns Hunden.
Unbestritten spielen natürlich die Umwelteinflüsse eine große Rolle im Zusammenleben von euch Menschen mit uns Hunden. Wir Hunde passen uns aber den jeweiligen Lebensbedingungen nachweislich schon immer sehr gut an.
Zeigen wir Hunde nicht das gewünschte Verhalten, bieten sich für den modernen Hundehalter heute zahlreiche Möglichkeiten. Es wird nicht mehr im stillen Kämmerchen an der Beziehung gearbeitet, sondern neben Hundeschulen und Tierärzte bieten Heilpraktiker, Verhaltenstherapeuten und Pschychologen speziell für Tiere ihre professionelle Hilfe für fast alle Probleme mit dem Hund an.
So weit, so gut. Ich persönlich finde dabei jedoch ganz schlimm, dass wir Hunde mittlerweile in Schubladen gesteckt werden, in denen unsere Individualtät völlig auf der Strecke bleibt. Wir haben so und so zu sein, haben uns so und so zu verhalten und uns sämtlichen Gegebenheiten anzupassen.
Ein typisches Beispiel konnte ich auch kurz nach dem Auszug meiner Welpen zu Beginn des Jahres erleben.
Ein Welpenkäufer will sich natürlich auf sein neues Familiemitglied gut vorbereiten. Es werden Hundebücher studiert und das Internet durchforstet, um auf dem neusten Stand der Welpenerziehung zu sein. Dann geht es los. Das Fellkind wird abgeholt und es gibt eine riesen Liste abzuarbeiten, was der kleine Vierbeiner alles Kennenlernen muss, um ein gut erzogener und sozialisierter Hund zu werden.
So passiert es dann, dass ein 10 Wochen alter Welpen schon einen Tag nach dem Umzug in sein neues Heim in eine Straßenbahn geschliffen wird, weil er die ja unbedingt für sein weiteres Leben kennenlernen muss. Die Familie selbst fährt z.B. aber nie Straßenbahn. Das spielt hierbei jedoch keinerlei Rolle, denn der kleine Welpe muss in seiner Prägephase nun ganz fix mit allem konfrontiert werden, was …
ja was eigentlich??? Na das, was da so in den schlauen Büchern geschrieben steht…!!!
Das genannte Beispiel ist ja nun noch eine harmlose Variante von Erlebnissen, die ein Hund so macht, wenn er in ein neues zu Hause kommt.
Ein Hundekind von mir zog im Alter von 12 Wochen in die weite Welt. Hier gab es ganz viel Straßenlärm, den es in so geballter Form während der Aufwuchsphase auf unserem Hof natürlich nun noch nicht kannte. Auch wenn hier die Welpen mit vielen Umweltreizen konfrontiert werden, sind sie bei einem Umzug in ihre neuen Familein noch keine fertigen Hunde, sondern müssen tatsächlich ihr neues Umfeld erst Stück für Stück kennenlernen.
Jedes Lebewesen schützt sich dabei auf gewisse Weise selber vor Überforderungen. Es entsteht völlig natürlich Angst und Unsicherheit und schon sind wir in einer neuen Welt angekommen.
Dieser Hund wird nun therapiert und die Zeit rennt…
Von einem Gruppentraining auf der grünen Wiese, über Einzelstunden mit einem Tierverhaltenstherapeuten und einer Liste von pflanzlichen Mittelchen des Tierheilpraktikers landet man fix auf der roten Couch für Hunde. Hier bekommt man dann tatsächlich auch die Pille, die nun Abhilfe bei der Umweltunsicherheit und den Angstzuständen schafft. Das alles wird innerhalb des ersten Lebensjahres eines Hunde praktiziert. Die Hundebesitzer haben scheinbar alles, wirklich alles getan, um diesem Hund zu helfen. Sie haben dafür auch ohne jeglichen Fragen ganz viel Geld in die Hand genommen.
Ganz ehrlich. Das ist der Moment, wo sich auch eine Hundemutter fragt:
Wozu habe ich diesen Nachwuchs in die Welt gesetzt???
Das ist jetzt übrigens keine Be- oder gar Verurteilung dieser Hundebesitzer.
Sie haben nach ihrem Wissen und Gewissen sicherlich tatsächlich alles getan.
Vielmehr sollte man hier an das Gewissen von sogenannten Experten diesbezüglich appelieren.
Einer Züchterin, wie meiner fehlen bei solchen Handhabungen natürlich sämtliche Worte. Für mein Frauchen ist es einfach unfassbar bis schon unverantwortlich, wie man einem Hund noch vor Abschluss seiner Entwicklungsphase ein Antidepressivum verabreichen kann. Im Altersvergleich mit dem Menschen ist das, als würde ich solch ein Mittel einen 10-12 jährigen Kind verabreichen. Solch eine Pille kaschiert ihrer Meinung nach maximal die Symptome, heilt aber niemals die Ursachen. Die Menschen neigen dazu, für alles eine Pille zu nehmen. Für mein Frauchen liegt die Verantwortung in jedem Hundehalter, seinem Hund die Orientierung zu geben, in unserer Gesellschaft zurecht zu kommen und ihm dann über den angepassten Freilauf und auch Grenzen ein artgerechtes Hundeleben zu bieten.
Ansonsten sollte man als Mensch so ehrlich zu sich selber sein und von der Anschaffung eines Hundes Abstand nehmen
Am Ende eines jeden Tunnels gibt´s ein Licht.
Zum Glück konnte der Verlauf dieser ganzen doch nicht so vorteilhaften Entwicklung meines Hundekindes beendet werden. Dieser Hund hat mittlerweile ein neues zu Hause gefunden, blüht hier von Tag zu Tag mehr auf und bereitet seinen neuen Besitzern zunehmend Spaß und Freude.
Da hüpft natürlich auch ein Hundemutter- und Züchterherz.
Fazit:
Um zu vermeiden, dass aus einer sonst gesunden Fellnase ein völlig gestörter Hund wird, sollten sich Frauchen und Herrchen täglich intensiv mit ihrem Tier beschäftigen, aber vor allem auch akzeptieren, dass der Hund mal nicht so will wie seine Besitzer. Auch der Hund ist ein Lebewesen mit ganz individuellen Bedürfnissen, dem somit immer mal die Möglichkeiten geboten werden muss, nicht überall und immer völlig korrekt zu funktionieren.
Falls das nicht fruchtet, empfiehlt sich tatsächlich ein Verhaltungstraining für Hund und Menschen, um sich gegenseitig besser kennenzulernen und zu verstehen. Dabei muss man jedoch für eine Sache schon auch offen sein:
Nicht der Hund ist es, der oftmals Hilfe braucht, sondern der Mensch. Er sollte dem Hund den Lebensraum schaffen, den er braucht, um glücklich zu sein.
In diesem Sinne freue ich mich zum heutigen Tage über meine glücklichen Fellkinder.
Bis morgen dann,
eure Rapunzel.