Rapunzels Adventskalender 2019

7. Dezember

Am Ende wird alles gut…

und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.
Wiedermal ein Zitat, diesmal von Oscar Wilde und es passt ziemlich gut auf die Geburt unserer Erika.
Ich habe ja versprochen, euch von dieser noch zu erzählen. Ich sage es gleich vorweg, wer heute nicht unbedingt weinen will, sollte jetzt nicht weiterlesen, sondern einfach nur die schönen Bilder anschauen.

Eigentlich ist ein Geburtsvorgang nicht unbedingt ein wirklich repräsentatives Ereignis. Vor der Geburt meines ersten Wurfes hatte ich auch noch nicht viel damit zu tun. Diesmal konnte ich Erikas Geburt aus meiner Schlafbox an der angrenzenden Flurseite die ganze Zeit sehr gut beobachten. Ich kann euch somit verraten, Geburt ist nicht gleich Geburt.
Mein Frauchen hat da im Laufe der Jahre ja tatsächlich auch schon so einiges erlebt.

Auf unserem Retrieverhof wird für die werfenden Hündinnen ca. 4 Wochen vor ihrem errechneten Geburtstermin ein separater Schlafplatz im Haus eingerichtet. Hier findet dann nur diese Hündin ihren Ruheplatz und kann sich dahin bei Bedarf auch jeder Zeit zurückziehen. Wir anderen Hunde sind somit von den Geschehnissen dieses Ortes also völlig ausgeschlossen und die werdende Mutter kann sich hier in entspannter Atmosphäre auf ihre bevorstehende Geburt vorbereiten.
Unsere Erika kannte diesen Platz ja bereits von ihrem ersten Wurf und hat ihn auch diesmal genussvoll angenommen.

Wie ich euch schon erzählt habe, war Erikas Geburtstermin der 15.11.2019.
Nach ein paar Senkwehen an den vorherigen Tagen setzten dann am 13.11.19  nachts ihre ersten richtigen Wehen ein und 5 Minuten nach Mitternacht wurde dann die erste kleinen Chocomaus, die kleine „Waltraud“ geboren.
Erika kümmerte sich völlig instinktsicher um das kleine nasse Etwas. Sie befreite sie aus ihrer Fruchthülle, nabelte sie selbstständig ab, putzte sie dann ohne Ende, bis die kleine Fellnase trocken war.
Einfach traumhaft.

Und weiter gings.
Jetzt kam „Wilhelm“, er ist ebenfalls ein kleiner Chocolabbi und wurde eine knappe Stunde später geboren, gefolgt von „Wencke“.
Sie hat sich schon ganz schön Zeit gelassen, musste sich wahrscheinlich als schwarzes Mädchen erst noch richtig putzen und begrüßte dann um Halb Vier die große weite Welt. Während sich Erika rührend um ihr jetziges Trio kümmerte, passierte mit ihrem immer noch prallen Bauch irgendwie nix, rein gar nix. Die Zeit verging.
Frauchen drehte ab und zu eine kurze Runde ums Haus mit Erika, damit sie sich lösen konnte und vielleicht auch wieder die nächste Wehe in Gang kommt.
Es passierte nichts, außer das Frauchen jetzt schon etwas nervöser wurde.

Fast 5 Stunden später wurden Erikas Wehen dann endlich wieder stärker. Dennoch bekam sie den nächsten Welpen irgendwie nicht raus. Frauchen stand inzwischen auch mit ihren früheren Hebammenerfahrungen bereit und wollte ihr bei jeder Wehe helfen und zugreifen, den Welpen wenn er an den Muttermund gepresst wird festhalten, damit dieser nicht immer in den Atempausen wieder zurückrutscht. Es funktionierte jedoch nicht. Irgendwann platzte dann die Fruchtblase und Frauchen konnte feststellen, dass der nächste Welpen verkehrt herum, sprich mit dem kleinen Welpen – Po zuerst auf die Welt kommen wollte. Diese ganze Prozedur zog sich noch eine ganze Weile hin und irgendwann konnte Frauchen doch um die Hinterläufe des Welpen greifen und ihn endlich festhalten. Nun kam die Erlösung. Frauchen half jetzt Erika bei den nächsten Wehen mit einem leichten Zug am Welpen, dieses nächste Baby endlich zu gebären.
Leider hat die Sache wahrscheinlich dann doch insgesamt zu lange gedauert. Der Welpe war tot.

Die Anspannung wuchs. Die Luft in unserer Wurfstube war zum Schneiden. Erika hatte zum Glück immer noch mit Trockenlecken ihres Trios zu tun. Dadurch hat sie gar nicht wirklich mitbekommen, wie Frauchen diesen kleinen toten Welpen fix aus der Welpenkiste entfernte.

Zu aller Erleichterung folgte knapp eine Stunde nach dieser großen Aufregung Welpe Nr.5
Dadurch wurde auch Frauchen wieder ruhiger. Die ganze Geburt schien wieder in Gang gekommen zu sein und Erika hatte mit dem kleinen schwarzen „Wiegand“ nun aufs Neue zu tun.

Schon eine Stunde später wurde ein kleiner Welpen noch nicht fertig entwickelt und dadurch auch tot geboren. Sowas gibt es schon auch mal. Das kennt meine Frauchen bereits von anderen Geburten. Es gab auch dabei zum Glück keinen grünlichen Ausfluss, was dann auf Probleme im Mutterleib hinweisen würde.
Also alles okay oder hier jetzt nur sprichwörtlich grünen Bereich.

Erika kuschelte sich nun entspannt mit ihrem inzwischen zum Quartett gewachsenen Wurf genüsslich ein. Diese Pause war jedoch von kurzer Dauer, denn diesmal kündigte sich bereits 20 Minuten später schon Welpe Nr. 7 an und erblickte dann auch rasant schnell das Licht der Welt.

Der kleinen „Wolle“ war wieder ein kleiner Choco-Labbi. Inzwischen ergab es schon ein richtig schönes Bild, wenn man in die Welpenkiste schaute. 3 kleine chocofarbene und 2 kleine schwarze Knutschkugeln lagen alle an Erikas Brust.
Deren Bauch hatte sich allerdings noch nicht wesentlich verändert. Es schienen sich also immer noch weitere Geschwisterchen für den Weg in die große Welt angestellt zu haben.

Was jetzt folgte, war alles andere als schön. Deshalb fasse ich es auch ein bisschen kürzer zusammen. Nachdem der Welpen Nr. 8 wieder stundenlang keine Anstalten machte, tatsächlich auf die Welt zu kommen und Erika langsam auch ziemlich schwach nach dem bisherigen Entbindungsstress war, hieß es für Frauchen, einen Tierarzt in das ganze Geschehen zu involvieren.

Die hiesige Tierarztsituation zu bestimmten Zeiten im Notfall möchte ich an dieser Stelle hier jetzt mal gar nicht weiter analysieren. Mit dem Notfall bereits angekündigt wurde Erika auf jeden Fall sofort aufgenommen und alle notwendigen Untersuchungen für schnelle Hilfe eingeleitet. Im Ultraschall zeigte sich, dass da Babys im Bauch tatsächlich noch lebten. Eine Röntgenaufnahme klärte darüber auf, dass es noch 3 kleinen Racker sind, die auf die Welt kommen wollen. Damit hat Erika tatsächlich 10 Welpen in ihrem Bauch großwachsen lassen. Eine bis dahin schon beachtliche Leistung.

Das Röntgenbild zeigte nun auch, wie problematisch ein kleiner Welpe den Geburtsweg verstopfte. Als erstes wurde versucht, den Welpen vielleicht zu drehen, zu verschieben oder auch durch den Geburtskanal rauszubekommen. Das blieb jedoch erfolglos. Also wurde der OP vorbereitet, ein Kaiserschnitt war angesagt um Erikas begonnene Geburt zu beenden und eventuell sogar die 3 Welpen aus Erikas Bauch noch lebendig zur Welt zu bringen.

Erika schlabberte vor ihrer Narkose noch einmal liebevoll über ihre Welpis, die am Rand im Untersuchungsraum auf einem Wärmekissen warm und ruhig gehalten wurden. Dann ging es los. Die Tür zum OP wurde geschlossen und Frauchen saß erleichtert, dass nun Hilfe angesagt ist, vor dem Welpenkörbchen mit Erikas bis dahin 5 wunderschönen Welpen.  Es war in den gesamten 30 Jahren ihrer Zuchterfahrungen ihr 3. Kaiserschnitt. Da hat Frauchen und natürlich auch alle Hundemamas bisher sehr viel Glück gehabt. Ansonsten ist ein Kaiserschnitt zwar immer auch eine OP aber die bei Komplikationen während der Geburtsphase einzig sinnvolle und eigentlich auch lebensrettende Maßnahme für die Welpen und zum Schluss auch die Mutterhündin.

Es dauerte nicht lange, da kam eine der operierenden Ärztinnen raus und legte meinen Frauchen einen kleinen schwarzen Rüden in den Arm. Frauchen übernahm jetzt den Mutterpart und rubbelte das kleine zuckersüße Wesen trocken. Eine gefühlte Minute später war auch schon das zweite Fellknäul in Frauchens Händen. Diesmal ein schwarzes Mädchen. Der Welpe, der sich vor den Geburtsausgang geschoben hatte, konnte leider nicht mehr lebend befreit werden.

Aber es kommt noch viel schlimmer…

Während Frauchen mit wieder sprichwörtlich Glücksperlen in den Augen im Untersuchungszimmer die kleinen Labbis zu beruhigen versuchte, indem sie ihnen ins Ohr säuselte, dass gleich ihre Mama kommt und sie dann wieder saugen und sich ankuscheln können, machte sich in der Praxis auf einmal eine ganz komische Stimmung in der Luft breit. Frauchen wurde plötzlich auch schon ganz mulmig. Sie beruhigte sich jedoch innerlich, dass das sicher der abfallende Stress sei und nun ja gleich alles geschafft ist.

Es sollte aber ganz anders kommen.

Eine der Tierärztinnen kam aus dem OP und teilte meinem Frauchen mit, dass es die Hündin leider nicht geschafft hat. Erika hat, warum auch immer, den Kaiserschnitt nicht überlebt. Sie ist noch auf dem OP-Tisch verstorben.

Den Schock, der meinem Frauchen jetzt durch alle Glieder fuhr kann man nicht wirklich in Worte fassen.
Auch ich finde beim Erzählen dieser Geschichte jetzt keine richtigen Worte mehr.
Deshalb lasst uns einfach an dieser Stelle an unsere tapfere und supertolle Erika denken.
Wir werden dich alle hier unglaublich vermissen.

Dass das ganze Drama mit einem Körbchen voll winzig kleiner frisch geborener Welpen noch kein Ende hat, ist euch sicherlich auch klar.

Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.

In diesem Sinne in Gedanken an meine tolle Kumpeline Erika,

bis morgen dann
eure Rapunzel